Was haben Frühsozialismus, Katholische Soziallehre und solidarische Ökonomie miteinander zu tun? Es sind die Ökonomien der Gabe, die als roter Faden sich durch das gleichnamige Buch von Andreas Exner ziehen. Dabei werden Geschichten miteinander in Beziehung gesetzt, die für manche überraschend erscheinen mögen. Doch so entsteht eine große Erzählung von der bäuerlichen Urform des Wirtschaftens über die Praxis Jesu hin zur Gegenwart. Exner zeigt in den Formen der solidarischen Ökonomie einen Weg für das Zusammenleben heute.
(Karl Immervoll)
Andreas Exner widmet sich der Frage, welche Rolle Solidarische Ökonomien dabei spielen, die sozial-ökologische Krise zu bearbeiten. Diese Krise reicht vom Klimawandel und von der Zerstörung der Biodiversität bis zu wachsenden sozialen Spaltungen und wirtschaftlichen Ungleichgewichten, die mit der Finanzkrise 2008 offenkundig geworden sind.
Die einzelnen Erscheinungsformen dieser Krise stehen mit gesellschaftlichen Strukturen in Verbindung, die den Menschen ebenso wie die Natur schädigen. Aufgrund ihres umfassenden Charakters erfordert die sozial-ökologische Krise ganzheitliche Antworten, um gesellschaftliche Strukturen zu transformieren.
Andreas Exner studierte Ökologie und Politikwissenschaften. Er ist operativer Leiter des Regional Centre of Expertise (RCE) Graz-Styria, Zentrum für nachhaltige Gesellschaftstransformation der Universität Graz.
Solidaritätspreis für KABÖ-Vorsitzende Anna Wall-Strasser
Dank an „ausgezeichnete Ermutigerin und Ermöglicherin“
Anna Wall-Strasser, Vorsitzende der Katholischen Arbeitnehmer:innen-Bewegung, ist am 16. Mai mit dem „Solidaritätspreis 2022“ der Diözese Linz in der Kategorie „Einzelperson“ ausgezeichnet worden. Wall-Strasser nahm den Preis in Gegenwart von Bischof Manfred Scheuer und Landeshauptmann Thomas Stelzer bei einer Feier im Landhaus in Linz entgegen.
KABÖ-Generalsekretärin Gabriele Kienesberger würdigt das langjährige Wirken von Anna Wall-Strasser:
„Die 1958 geborene Theologin war bis 2018 mit Überzeugung in verschiedenen Funktionen in der Arbeitnehmer:innenpastoral der Diözese Linz beschäftigt. Doch ihr Engagement im Dienst der Menschen ging und geht weit über das Berufliche hinaus. Seit Jahrzehnten engagiert sie sich zivilgesellschaftlich für Verteilungs- und Chancengerechtigkeit, im sozial- und frauenpolitischen Bereich und für eine weite, offene Kirche und leistete kontinuierliche Arbeit in verschiedenen Funktionen, Vereinen und Netzwerken.
Nachhaltige Arbeitsplatzinitiativen
Als junge Theologin war sie Gründungsmitglied des Vereins ALOM - Verein für Arbeit und Lernen Oberes Mühlviertel. Aus dem Treffpunkt für Jugendliche entstand 1989 ein erstes Beschäftigungsprojekt. Heute bietet der Verein 40 Transitarbeitsplätze und permanent 125 Kursplätze für Arbeit suchende Personen. Der Linzer Verein B7 Arbeit und Leben steht für unbürokratische Hilfe, wenn Menschen Lösungen für schwierige Situationen im Arbeitsleben oder in ihrer sozialen Absicherung benötigen. Das B7 ist zu einem gemeinnützigen, sozialen Unternehmen herangewachsen, bietet Beratung, Begleitung und Beschäftigung und betreibt das B7 Fahrradzentrum. Anna Wall-Strasser ist seit 2003 Vorstandsmitglied des Vereins und seit 2013 dessen Obfrau.
Frauen machen Kirche weit
Anna Wall-Strasser war bereits 1974 bis 1979 als ehrenamtliche Jugendleiterin und Pfarrgemeinderätin in ihrer Heimatpfarre Grieskirchen engagiert. Von 1983 bis 1988 arbeitete sie ehrenamtlich in der Bundesleitung der KAJ mit. Mit ihrer Familie zog sie nach Gallneukirchen, wo sie von 1994 bis 2017 den pfarrlichen Fachausschuss „Glaube & Arbeitswelt“ leitete und nach wie vor dort aktives Mitglied ist. Seit März 2019 hat sie die ehrenamtliche Funktion der Bundesvorsitzenden der Katholischen Arbeitnehmer:innen Bewegung Österreich (KABÖ) inne.
Gesellschaftspolitisches Engagement für und mit Frauen
Bewusstseinsbildende und öffentlichkeitswirksame Projekte und Aktionen zur Gleichstellung von Frauen hat Anna Wall-Strasser mitgegründet, mitgestaltet und mitgeprägt, wie etwa das Frauenbündnis 8. März in Oberösterreich.
Erinnerungs- und Gedenkkultur und gegenwärtige Herausforderungen
Als Vorstandsmitglied im Mauthausen-Komitee Gallneukirchen ist Anna Wall-Strasser in der aktivierenden Erinnerungs- und Gedenkkultur in der Region tätig. Im Verein „Gemeinsam in Gallneukirchen“, dem sie auch angehört, werden geflüchtete Menschen unterstützt, in Gallneukirchen und Umgebung Fuß zu fassen. Durch die Aufnahme in ihre Familie konnte sie, gemeinsam mit ihrem Mann, einem unbegleiteten Minderjährigen aus Afghanistan Rückhalt geben bei der Erlangung seines gesicherten Aufenthaltsstatus, dem ein erfolgreicher Berufsabschluss und Arbeitseinstieg als Sozialfachbetreuer in der Alten- und Behindertenarbeit folgte.
Liebe Anna, Professionalität und Einfühlungsvermögen sind Deine großen Stärken, die so vieles gelingen lassen, was Du anpackst. Es ist schön, dich mit dem Solidaritätspreis ausgezeichnet zu wissen, denn solidarisch handeln, solidarisch Fürsprache zu halten für benachteiligte Menschen und Pochen auf gerechte Verteilung der Güter unserer Welt leiten Dein Tun, Denken und Glauben.“
Die KABÖ Bundeskonferenz tagte am 11./12.3.2022 im Bildungshaus der Elisabethinen am Freinberg in Linz. Themenschwerpunkt war die Auseinandersetzung mit der bezahlten und unbezahlten Sorgearbeit und die nötigen Konsequenzen aus den Auswirkungen der Covid-Krise. Mit Diözesanbischof Manfred Scheuer wurden aktuelle Themen wie notwendige Friedensbemühungen der Kirchen, Care/Sorgearbeit, Menschenwürde u. Arbeitswelt, sowie die unverzichtbare Unterstützung ehrenamtlich Engagierter durch ausreichend hauptamtliche Ressourcen, erörtert.
Themenschwerpunkt der KABÖ Bundeskonferenz:
Lernerfahrungen aus der Covid-Krise – damit Frauen nicht wieder die Verliererinnen sind
„Warum wir über bezahlte und unbezahlte Care-Arbeit reden sollten“ legte die Ökonomin Katharina Mader (Arbeiterkammer Wien) in ihrem Referat, anhand vielfältiger Analysen der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 und der gegenwärtigen Covid-19 Pandemie, offen.
Untersuchungen zur letzten Wirtschaftskrise 2008 bewiesen einmal mehr, dass Frauen zu den Verliererinnen auf allen Ebenen zählten. Die Hoffnung, dass Krisen Lernerfahrungen für eine zukunftsweisende Frauenpolitik ermöglichten, wurde damals bitter enttäuscht, daher ist es wichtig, aus der gegenwärtigen Covid-Krise Lehren zu ziehen, die nicht weiter eine Politik forcieren, in denen wieder Frauen die Verliererinnen sind.
Sekundäreffekte der Krise: Sparmaßnahmen, die vor allem Frauen treffen
Wenn auch zunächst vor allem Männer von mehr Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit betroffen waren und typische Frauenberufe – vor allem im Dienstleistungsbereich – sich als deutlich krisenresistenter herausstellten, so trafen so genannte Sekundäreffekte der Krise, gemeint sind damit einschneidende Sparmaßnahmen, Frauen wesentlich schlimmer als Männer.
In der gegenwärtigen Covid-Krise bleiben Themen relevant die bislang zu Lasten der Frauen gelöst wurden:
Vereinbarkeitsfragen:
Wer wird in Kurzarbeit geschickt? Wer arbeitet im HomeOffice? Wer wird oder bleibt erwerbsarbeitslos? Wer nimmt Sonderbetreuungszeiten in Anspruch?
Sparmaßnahmen:
Wer war unsichtbar und fällt daher um Beförderung oder Lohnerhöhung um? Welche Tätigkeiten übernehmen Frauen, weil sich der Haushalt ein Zukaufen bestimmter Dienstleistungen für Pflege, Kinderbetreuung, Reinigung nicht mehr leisten kann?
Was tun Politik und Wirtschaft dagegen, dass Gleichstellung in Krisenzeiten als „Luxusproblem“ betitelt wird, dem man sich wieder widmen werde, wenn die Zeiten besser sind?
Wo bleibt die notwendige Finanzierung von CareArbeiten durch den Staat? Wo bleibt die tatsächliche Umverteilung zwischen den Geschlechtern (Das Private ist politisch)?
COVID-19 Pandemie und Lockdown mit Ausgangsbeschränkungen, aber auch außergewöhnlichen Regulierungen im Zuge der Krise hatten gravierende Auswirkungen:
Die Gesundheitskrise wurde auch zu einer Wirtschaftskrise und einer sozialen Krise.
Wir verzeichneten in Österreich die höchsten Arbeitslosenquoten der Zweiten Republik (~600.000 zu Spitzenzeiten), der Anstieg der Arbeitslosigkeit traf zu 85% die Frauen.
Noch nie waren so viele Menschen in Kurzarbeit: 1,3 Millionen Menschen im Mai 2020, im April 2009 waren es im Vergleich knapp 40.000 Menschen.
Ungleichheiten wurden uns noch nie so stark vor Augen geführt:
Gravierende Unterschiede bei Arbeitslosenzahlen nach Bildungsabschluss: Akademiker:innen +25%, bei Personen mit maximal Pflichtschulabschluss oder Lehrausbildung +68%, erstmals in einer Wirtschaftskrise stiegen außerdem die Arbeitslosen-Zahlen von Frauen stärker als jene der Männer.
Das unterste 1/5 der Einkommensverteilung konnte defacto nicht, oberstes 1/5 zu über 90% im Home-Office arbeiten.
Die Frage von Systemrelevanz wurde ganz neu gestellt - 2009 waren es die Banken.
Ausgenommen von Kurzarbeit und nicht in den Statistiken erfasst: geringfügig Beschäftigte: 377.413 in Österreich, die meisten zw. 20 und 29 Jahren, und diese sind überwiegend weiblich!
(Stand 02/2020)
Wege zur Existenzsicherung aller (aus der Debatte im Plenum):
Genderbudgeting ist seit 2009 auf Verfassungsebene festgeschrieben – es muss jetzt angewendet werden!
In kritische Infrastruktur (Pflege, Kinderbetreuung, Versorgung,…) muss genügend finanzielle Ressource fließen, damit geschlechtergerechte Strukturen überhaupt zustande kommen.
Care – Arbeit braucht ausreichend öffentliche Finanzierung. Das bedeutet konkret: anständige und gut bezahlte Arbeitsplätze.
Gute Sorgearbeit ist kein individuelles Problem sondern ein strukturelles, und muss daher politisch gelöst werden.
Es braucht Arbeitszeitverkürzungen auf allen Ebenen: sie ist eine Vorbedingung, braucht aber begleitete Maßnahmen. Allein dadurch passiert noch keine tatsächliche Umverteilung der unbezahlten Arbeit.
Der Arbeitsbegriff ist stark auf Produktionsarbeit beschränkt. Dienstleistungs- und Care-Sektoren müssen gewerkschaftlich endlich gleichrangig vertreten werden.
Investitionen im Care-Sektor bringen Mehrwert, weil sie Folgewirkungen haben. Negativeffekte mit Folgekosten (gesellschaftliche Reparaturarbeiten) werden vermieden; etwa die Armutsgefährdung von Frauen und Kindern.
Der Beschäftigungseffekt von Investitionen im Care-Sektor ist um 60% höher als im Bau-Sektor.
Für jeden öffentlich investierten Euro in der Langzeitpflege kommt es zu einem Rückfluss von 70% für die öffentliche Hand durch Steuern und Sozialversicherungsabgaben (WIFO-Analyse).
Investitionen im Care-Bereich lohnen sich also volkswirtschaftlich. Daher bedarf es in Österreich einer Aufstockung der Mittel bzw. Investitionen im Sozialbereich (Pflege, Betreuung, Versorgung, Bildung) in mehrfacher Milliardenhöhe.
Ein umfassendes Gesamtpaket hat das Netzwerk „Mehr für CARE!“ entwickelt (https://mehr-fuer-care.at).
Zum Thema siehe auch Beitrag von Katharina Mader in: ZeitZeichen, Magazin der KABÖ, 4/2021, S. 6
Themen und Veranstaltungen der KABÖ 2022:
Neuwahl der Bundesleitung für die Periode 2022-2025
Vorsitzende: Maga. Anna Wall-Strasser
Stv. Vorsitzender: Philipp Kuhlmann, Reinhold Grausam bis Herbst 2022, dann Maga. Karin Liebenwein
Bundesseelsorger: Mag. Karl Immervoll
Generalsekretärin: Maga. Gabriele Kienesberger
Die KABÖ beteiligt sich am Synodalen Weg und erstellt dafür ein Dossier „Arbeit und Soziale Fairness“.
Schwerpunkt des Arbeitsjahres ist seit der Herbstkonferenz 2021 die Frage der Existenzsicherung und des Grundeinkommens, auch als Aspekt der Teilhabe an der Gesellschaft.
Daher lädt die KABÖ in Kooperation mit Instituten der Universitäten Wien und Salzburg, NGOs, sowie der AKNOE zum
Symposion Wege zur sozialen Teilhabe
Erfahrungen von Jobgarantie bis Grundeinkommen
Donnerstag 23. Juni 2022, 10 - 17 Uhr, Arbeitnehmer:innenzentrum St. Pölten
Ein Buch, das sehr überrascht ist: Andreas Exner, Ökonomien der Gabe. Mandelbaum Verlag, 2021
Überraschend deshalb, weil es eine großartige Darstellung der Rolle der katholischen Soziallehre an der Entwicklung einer solidarischen Ökonomie ist. Ein spannendes und fundiertes Werk zur Kath. Soziallehre samt notwendigen Ansätzen für ein anderes Wirtschaften.
Das Buch wird am 21. Oktober in Wien, Stephanisaal, Stephansplatz 3, präsentiert.
Im Herbst startet auch wieder ein Lehrgang der KAB-Ausbildung hingehen, zu dem wir neben KAB-Aktivist:innen und Betriebsseelsorger:innen auch Mitarbeiter:innen in der Pfarrpastoral, vor allem dort, wo es Industrie gibt, einladen.
Die KABÖ ist auch Bündnispartnerin bei den Volksbegehren Arbeitslosengeld rauf! und Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens, deren Eintragungswoche vom 2.-9. Mai 2022 ist.
Der Austausch auf Europaebene fand am 12./13.2. bei einer Online-Tagung zum Thema „Menschenwürdig statt prekär – wertvoll arbeiten in Europa“, mit den Aspekten Prekäre Arbeitsbedingungen, Pflege/24h Betreuer:innen und Bedingungsloses Grundeinkommen, großen Anklang.
Der arbeitsfreie Sonntag gehört in Oberösterreich seit 25 Jahren zum „Kerngeschäft“ der KAB. Daher wird am 17.10. das Jubiläum der oö. Sonntagsallianz in Linz groß gefeiert.
Mit neuen T-Shirts legen die KABler:innen sichtbar Zeugnis ab für diesen religiösen und gesellschaftliche wertvollen Einsatz. (siehe Foto)
Menschenwürdig statt prekär – Wertvoll arbeiten in Europa
KABÖ
Die KABÖ beteiligte sich am Europäischen Seminar der deutschsprachigen KAB-Bewegungen
12./13. Februar 2022 - digital
Ursprünglich geplant als große Konferenz im Halterner KönzgenHaus kamen die internationalen Teilnehmenden aufgrund der aktuellen Situation für die zukunftsweisende Veranstaltung digital zusammen. Vier Verantwortliche der KABÖ nahmen daran teil und brachten in den Workshops ihre Expertise und Erfahrung ein.
„Sehen, Urteilen, Handeln“
Zwei Tage lang haben sich die 45 Teilnehmenden des Europäischen Seminars mit dem Thema prekäre Arbeit in Europa auseinandergesetzt. Neben dem Austausch bisher gemachter Erfahrungen und dem „Realitätscheck“ durch Expert:innen aus KAB, KVW und CAJ sorgten Prof. Dr. Werner Nienhüser als Arbeits- und Organisationsexperte sowie die evangelische Sozialethikerin PD Dr. Sabine Plonz für die wissenschaftliche Expertise.
Corona-Pandemie als Verstärker
Die zentrale Frage, ob das Ausmaß prekärer Arbeit während der Pandemie zugenommen hat, mussten die Teilnehmenden leider eindeutig bejahen. Insbesondere diejenigen, die schon vorher am unteren Ende verdient haben und für ihren Lohn regelrecht schuften mussten, waren mit Ausbruch des Coronavirus die besonders Leidtragenden, die kaum vor einer möglichen Ansteckung geschützt wurden. Darüber hinaus haben die Zukunftsängste vor allem auch in den Branchen mit prekärer Arbeit weiter zugenommen.
Empowerment und klare Wertorientierung
„So muss beispielsweise die Gruppe der 24-Stunden-Betreuungskräfte in allen betrachteten Ländern unter besonders prekären Bedingungen arbeiten,“ erklärt Christoph Holbein-Munske, pädagogischer Mitarbeiter im KönzgenHaus sowie Moderator und Koordinator der Veranstaltung. „Der Pflegenotstand wird quasi auf ihrem Rücken ausgetragen. Hier sind wir als KAB gefragt: Durch gezieltes Empowerment müssen wir dafür sorgen, dass sich daran etwas ändert!“ Das bekräftigt auch Martin Hochegger, Vorsitzender dar KAB Steiermark, der in Graz sich für die Organisierung der 24-Stunden-Pfleger:innen einsetzt. Die Sozialethikerin Sabine Plonz machte ihre Forderung für diese Branche ganz deutlich: „Keine Gewinne in der Pflege!“ Mit der Care-Arbeit, dem Sorge-Handeln muss das menschliche Maß insgesamt ins Zentrum der Gesellschaft gerückt werden. Das ist verbunden mit einer radikalen Kritik der aktuellen neoliberalen Anti-Ethik, so die Referentin.
Europaweites Netzwerk
Menschenunwürdige und prekäre Arbeit ist europaweit ein brennendes Thema. Umso wichtiger sei es, dass sich die europäischen KAB-Bewegungen diesbezüglich vernetzen und koordinieren, um es gemeinsam in den öffentlichen Fokus zu rücken und Verbesserungen zu erreichen. So beteiligt sich die KAB überall an der Europäischen Bürgerinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen https://www.ebi-grundeinkommen.de/. Im Workhop dazu informierte die Vorsitzende der KABÖ Anna Wall-Strasser auch über das diesbezügliche Volksbegehren und die Eintragungswoche vom 2.-9.5.2022 in Österreich.
Es ist eine Frage des politischen Willens
KABÖ
Gedanken zum 2. Adventsonntag von Anna Wall-Strasser
Stellen Sie sich vor: Sie liegen im Bett, es ist kalt im Raum und Sie schlüpfen unter die warme Decke. Doch wie Sie diese auch ziehen und wenden, immer zieht es irgendwo herein. Entweder die Füße sind kalt, oder der Brustkorb, oder die Schulter ist nicht bedeckt. Die Tuchent ist einfach zu kurz. Da können Sie sich noch so klein machen und zusammenkauern, es wird kein guter, ungestörter Schlaf zu finden sein.
So geht es im übertragenen Sinn vielen hier in unserem Sozialstaat Österreich. Die finanzielle Basis für ein gutes Leben in Würde und Selbstbestimmung ist nicht gesichert. Das gilt für Niedrigverdiener:innen, ob Frau (zumeist) oder Mann, ob angestellt oder prekär selbständig ebenso wie für viele Pensionisten:innen, für Menschen mit Beeinträchtigung oder chronischen Krankheiten. Es gilt auch für Arbeitslose wegen der niedrigen Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld, und für Sozialhilfebezieher:innen, die aus einem Mix an Gründen nicht am Arbeitsmarkt bestehen können. Und für jene, die Kinder betreuen oder Angehörige pflegen, und daher nicht ganztags erwerbsarbeiten können. Das Phänomen der zu kurzen Tuchent hat nichts mit mangelnder Leistung zu tun, vielmehr mit dem, was als Leistung gesehen und anerkannt wird.
Die Bundeskonferenz der KABÖ hat sich mit einem Gegenentwurf zu diesem realen Szenario beschäftigt: mit der Vision eines existenzsichernden Grundeinkommens für alle. Eine garantierte materielle Basis steht jedem Menschen zu und ist die Voraussetzung für ein würdevolles und selbstbestimmtes Leben. Dabei sind wir überzeugt, dass Erwerbsarbeit auch und gerade unter gesicherten Verhältnissen eine wesentliche Rolle spielen wird. Arbeit vergesellschaftet uns. Menschen wollen arbeiten, aber eben nicht unter allen Bedingungen und zu jedem Preis. Ein Grundeinkommen würde jeder Arbeit einen Wert zumessen, auch der bisher unbezahlten. Ein sicheres Auskommen würde jede Menge Phantasie und Kreativität freisetzen, das gemeinsame Leben und die Umwelt, die Gesellschaft zu gestalten. Wichtig dabei ist eine tatsächlich existenzsichernde Höhe (also derzeit mindestens 1.300 Euro), sowie eine gemeinschaftliche staatliche Infrastruktur zur Bereitstellung dessen, was alle brauchen: eine bedarfsgerechte Pflege und Gesundheitsversorgung, emanzipatorische Bildung, öffentlicher Verkehr, leistbares und gemeinschaftsförderndes Wohnen, ...
Dass es nicht am Geld scheitern würde ist angesichts des vorhandenen Reichtums evident. Es ist eine Frage des politischen Willens, ob immer mehr Menschen unter einer zu kurzen Decke sich abfrieren und weiter abstrampeln müssen, um irgendwie über die Runden zu kommen – oder auf einem sicheren materiellen Fundament für sich und andere sinnvoll tätig sein können.
Die KAB wird die Debatte um Grundeinkommen, Arbeit und Existenzsicherung jedenfalls weiterführen, versichert
Ihre/Eure Anna Wall-Strasser, Bundesvorsitzende der KABÖ
5.12.2021